Beikost einführen Plan
Ich habe gestern das Wort “Beikostplan” gegoogelt und der erste Plan für die Beikosteinführung, der mich anlachte, war der, von der Drogerie dm. Mir stellten sich direkt alle Nackenhaare auf. Was das Problem mit diesem (und auch vielen anderen) Beikostplan ist, möchte ich dir hier erklären.
Beikoststart nach Plan
Stellen wir uns vor:
Du bist eine Mama und du möchtest dich zum Thema Beikost informieren. Du hast schon mal gehört, dass es Pläne gibt, die zeigen, wie man Beikost einführt. Also fragst du Google danach.
Was du dann findest, ist der Beikostplan – vielmehr bunte Grafiken für Beikost einführen nach Plan. Die sehen so schön übersichtlich und logisch aus. Und wenn zum Beispiel eine so große Drogeriekette einen Plan herausbringt, dann sollte das ja auch vertrauenswürdig sein. Oder?
Oder sind wir schon hier, an dem Punkt an dem wir den Plan gründlich in Frage stellen, da es sich hier um ein gewinnorientiertes Unternehmen handelt?
Der bekannte Beikostfahrplan
Nun sollten wir meinen, im Jahre 2022 sind wir schon weiter als 1941, denn aus dieser Zeit stammt der so vielverbreitete Stufen-Beikostfahrplan. Und hier gilt nicht, er ist alt und bewährt!
Das Problem mit dem bis heute kopierten Beikostfahrplan ist, dass er von Johanna Haarer stammt. Eine Vertreterin der schwarzen Pädagogik (Erziehungsmethoden, die mit Strafen, Kontrolle, Gewalt, Demütigungen oder Einschüchterungen verbunden sind …)
Schon Herbert Renz-Polster hat in seinem Beitrag: “Zoff ums Beifüttern” den Ursprung und die Sinnhaftigkeit des berühmten Plans für die Beikost unter die Lupe genommen.
Was ist nun falsch an diesem Beikostplan?
Beikostplan 5.-7. Monate
Die Monatsangabe: 5.-7. Monat ist zwar nicht falsch, lässt aber Spielraum für Interpretationen und gegebenenfalls auch für Verunsicherung.
Fakt ist, mit der Beikost sollte nicht vor dem Erfüllen der Beikostreife begonnen werden. Das empfiehlt unter anderem auch die Unicef in UNICEF/The Baby-friendly Initiative 2015.
Demnach ist das Erreichen der Beikostreife im Zeitraum zwischen dem fünften und siebten Monat zu erwarten.
Besser wäre: diese Spalte nicht 5.-7. Monat zu nennen, sondern ab Beikostreife.
In der ersten Spalte werden beispielhaft 4 Milchmahlzeiten, morgens, vormittags, nachmittags, abends und eine Beikostmahlzeit zum Mittag vorgeschlagen.
Was ist das Problem damit?
Beikost ist KEINE Ersatzkost! Schon gar nicht in den ersten Wochen der Beikosteinführung.
Hier fehlt der Hinweis darauf, dass Beikost zusätzliche Kost zur Mutter-/Pre-Milch ist. Das steht sogar im Duden so definiert.
Dein Baby wird in der Regel nicht von heute auf morgen ein Gläschen Brei verdrücken. Das kannst du in keinem Fall erwarten. Wenn du meine und Idas Beikost-Geschichte kennst, ist der Versuch für uns beide in Tränen geendet.
Das bedeutet auch, dass es in keinem Fall zu empfehlen ist, nach 3 Löffeln Brei oder 3 angeknabberten Stück Babyfingerfood keine Milchmahlzeit mehr anzubieten!
Besser wäre: Das Kästchen mit der Beikost, um die Grafik mit der Muttermilch und dem Fläschen zu ergänzen.
Beikostplan 6.-8. Monate
Auch hier ist die Zeitspanne etwas unglücklich gewählt und könnte zu Stress führen. Wenn wir mal davon ausgehen, dass erst mit 7 Monaten mit der Beikost begonnen wurde, weil erst dann die Beikostreife eingetroffen ist, dann ist es nicht realistisch, mit 8 Monaten schon 2 Milchmahlzeiten durch Beikost ersetzt zu haben.
Hier, wie auch in den anderen Spalten, wird suggeriert, dass Beikost die Milch ersetzt. Das ist jedoch aller frühestens mit 9 Monaten zu erwarten und hängt ganz stark von der Entwicklung deines Babys und nicht von einem Plan ab.
Am Abend wird ein Bild von einer Milchflasche und Getreide gezeigt. Ich denke mal, damit ist der Milch-Getreide-Brei gemeint. Jedoch könnte es auch so interpretiert werden, dass hier Kuhmilch anstatt Mutter-/Pre-Milch angeboten werden soll. Die Grafik ist demnach etwas unglücklich gewählt.
Beikostplan 7.-9. Monate
Diese Spalte ist besonders interessant. Wenn wir wieder davon ausgehen, dass erst mit 7 Monaten mit der Beikost begonnen wurde, weil erst dann die Beikostreife eingetroffen ist, dann ist es noch weniger realistisch, mit 8 Monaten sogar 3 Milchmahlzeiten durch Beikost ersetzt zu haben.
Ich gebe zu, es wurde versucht, etwas Flexibilität durch die Zeitspannen im Plan zu geben, aber leider funktioniert es nicht optimal.
Es fehlt weiterhin der Hinweis auf weitere Milchmahlzeiten.
Beikostplan 10.-12. Monate
Jetzt wird es wieder interessant. Diese Spalte zeigt nun, dass im 10.-12. Monaten nur noch morgens eine Milch angeboten werden soll. Das ist weiterhin fragwürdig. Auch hier kann ich nochmals darauf hinweisen, gebe deinem Baby, auch wenn es schon gut isst, weiterhin seine Milchmahlzeiten, bis dein Baby die Milch eigenständig ablehnt. Viele Babys trinken ihre Mutter-/Pre-Milch bis weit über den 1. Geburtstag hinaus. Und auch die WHO empfiehlt das Stillen bis zum 2. Lebensjahr, neben der Beikost.
Im Idealfall isst dein Baby mit 12 Monaten 3 bis 5 Mahlzeiten, neben seiner Mumi/Pre-Milch. Aber welcher Mensch ist schon ideal? Das ist also nur ein Orientierungspunkt, der in beide Richtungen zu verstehen ist.
Kritik an Beikostplan
Ich fasse noch mal meine Kritik am viel verbreiteten Beikostfahrplan zusammen:
- KEIN Hinweis auf Beikostreife und Beikostreifezeichen! Die Folge: Mütter beginnen zu früh mit der Beikosteinführung!
- Kein Hinweis auf individuelle Entwicklung und Bedürfnisse.
- Es wird direkt Milchmahlzeit durch Beikost ersetzt. Das ist einfach nicht realistisch und kann wirklich zu sehr viel Stress für Mutter und Kind führen.
Versuche zunächst nicht, Beikost anzubieten und danach keine Mutter-/Pre-Milch mehr zu geben. Essen lernen ist ein Prozess. Mal ganz abgesehen davon, dass die kleine Menge Brei und Fingerfood, die in den ersten Wochen/Monaten gegessen wird, niemals so viel Kalorien und Nährstoffe liefern kann, wie eine Milchmahlzeit. Es ist also wirklich schwierig, das so zu empfehlen.
Noch ein Problem mit dem Beikostfahrplan
Was alle Beikostfahrpläne, die suggerieren, dass Beikost Ersatzkost ist, gemeinsam haben. Sie erwecken den Eindruck, dass Beikost einführen zum Abstillen ist. Das ist jedoch so nicht gedacht. Beikost ist dazu da, essen zu lernen und wird, wie schon erwähnt, zusätzlich zu den Milchmahlzeiten angeboten.
Wichtig für dich als Mutter zu wissen ist: Dein Baby entscheidet, wann es keine Milch mehr möchte. Nicht du und auch nicht ein Beikostplan! Du bietest also nach jeder Beikost auch die gewohnte Milch an, bis dein Baby sie fortwährend ablehnt. Erst dann ist der Punkt erreicht, an dem eine Milchmahlzeit ersetzt wurde.
Beikost muss nicht Breikost sein
Ein positiver Aspekt dieses Beikostfahrplans ist, dass hier keine Breischüssel als Beikost dargestellt werden. Was zumindest im Ansatz bedeuten kann, dass Beikost nicht zwingend Breikost sein muss.
Ich würde mir wünschen, dass Anbieter von Beikostfahrplänen mit mehr Hintergrundwissen veröffentlichen. Denn die meisten Empfehlungen sind wirklich veraltet. Gerade in Bezug auf ihre große Reichweite und Kundenvertrauen, wäre es wünschenswert.
Wie also dann Beikost einführen?
Ich weiß, Pläne geben Sicherheit und wir wünschen uns ganz besonders viel Sicherheit für unsere Babys. Aber leider funktionieren Babys nur selten nach Plan. Die Entwicklung von Babys ist so unterschiedlich und darum ist es so wichtig, auf ihre Zeichen zu achten und auf dein Bauchgefühl zu hören. Vor allem, wenn du das Gefühl hast, etwas funktioniert so gar nicht.
Wie du Beikost babyfreundlich einführen kannst, erfährst du in meinem Grundlagenbuch: So isst dein Baby Beikost
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Eine Starthilfe für Eltern – mit und ohne Babybrei
- Ein 4 Wochen Plan für den Beikoststart.
- Wann, wie, wo und welche Beikost - alles was du wissen solltest.
- Was dein Baby essen darf und was nicht.
- Informationen über Nährstoffe, Kuhmilch, Eier, Gewürze und mehr.
- Babygerechte Rezepte für Brei, Baby led-weaning, Breifrei und Fingerfood.
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Dieser Beitrag ist von Franka. Sie ist Ernährungsberaterin, Fachkraft für Beikosteinführung mit und ohne Babybrei, Mama zweier Breifrei-Babys und mehrfache Beikost-Buchautorin.
Quellen, Links und Literaturhinweise
Johanna Haarer schwarzen Pädagogik: (https://www.geo.de/wissen/weltgeschichte/die-schwarze-paedagogik-und-johanna-haarer-34554082.html)
Was ist schwarze Pädagogik: https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/schwarze-paedagogik
UNICEF/The Baby-friendly Initiative 2019: https://www.unicef.org.uk/babyfriendly/wp-content/uploads/sites/2/2019/04/Baby-Friendly-Initiative-Theory-of-Change.pdf
Kinder verstehen: https://www.kinder-verstehen.de/mein-werk/blog/zoff-ums-beifuettern/
Duden: Beikost
https://www.duden.de/rechtschreibung/Beikost
World Health Organization (WHO), 2021: Infant and young child feeding https://www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/infant-and-young-child-feeding
Quelle Grafik: Beikostplan dm glückskind https://www.dm.de/tipps-und-trends/baby-kleinkind/beikost-ernaehrung/beikost-baby-ernaehrung-49166